Als die Türken einst in Niederösterreich einfielen, drangen vereinzelte Gruppen auf Ihren Raubzügen sengend und brennend ins Pittental vor. Doch die Bauern von Seebenstein, Gleißenfeld und Scheiblingkirchen schlossen sich zusammen und griffen die beutegierigen Scharen mit dem Mut der Verzweiflung an. Tatsächlich gelang es Ihnen, die Feinde abzuwehren und aus dem Tal zu vertreiben.
Eine versprengte Türkenhorde geriet dabei in den Wald oberhalb von Seebenstein, und der Anführer hoffte, sich und seine Leute auf versteckten Pfaden in Sicherheit bringen zu können. Soeben hatten sie mit ihren Pferden einen Hang erklommen, da nahmen sie in einiger Entfernung die Erscheinung einer Frauengestalt wahr. Ohne sich lang zu besinnen, ritten die lüsternen Mordgesellen dem Mädchen nach, welches vor ihnen floh, bis es den Rand eines steilen Abgrundes erreicht hatte. Hier sprang das Mädchen jäh zur Seite, während die Türken blindlings weitergaloppierend in die Tiefe stürzten, wo sie zerschmettert liegen blieben.
Zur Erinnerung an jene schaurige Begebenheit wurde die steile Felswand bei Seebenstein „DER TÜRKENSTURZ“ benannt.
In einer anderen Überlieferung wird Folgendes berichtet:
Als im Jahre 1532 der tapfere Steirer Sebastian Schärtel von Burtenbach - geführt von dem mutigen Marktrichter zu Leobersdorf – mit seinen fünf-hundert Heckenschützen das Lager der Türken bei Pottenstein von der Rückseite angriff, um die Feinde dem Pfalzgrafen Friedrich, der bei Leobersdorf lauerte, in die Arme zu treiben, entrann ein Trupp der beutegierigen Krummsäbel dem allgemeinen Verderben.
Je weiter sich die versprengte Horde vom Kampfplatz entfernte, desto dreister wurden die Fliehenden, und bald raubten und brandschatzen sie wieder, wo immer sie ein Gehöft erreichten.
Ein Bauernbursch aus Pitten, der spät abends im Walde Schlingen legte, sah - im Gebüsch verborgen - die Türkenschar vorüberziehen. Vor Schreck gebannt wagte er sich nicht zu rühren, solange die gefährlichen Feinde in der Nähe waren. Doch kaum waren sie verschwunden, eilte der Bursche davon, um die Bewohner der nächstgelegenen Gehöfte zu alarmieren. Sein erster Weg führte ihn zu jenem Hof, der in der Marschrichtung der Türken lag. Der Bursch rannte wie noch nie zuvor in seinem Leben. Da er alle Waldpfade genau kannte, gelang es ihm tatsächlich, die Krummsäbel zu überholen und vor ihnen den einsamen Hof zu erreichen. Es blieb ihm gerade soviel Zeit, die Bewohner auf die nahende Gefahr aufmerksam zu machen, dann mußte er weiter eilen. Während nun die aufgeschreckten Leute ihre wertvollsten Sachen zusammenpackten, um sie vor den Plünderern in Sicherheit zu bringen, hatten diese schon das Haus von allen Seiten umstellt.
Ein Knecht, der mit seinem geringen Habe zu entkommen versuchte, war das erste Opfer. Auf den nahen Wald zueilend, sah er sich plötzlich von Feinden umringt. Wohl versuchte er auszubrechen, doch vergebens. Schon nach wenigen Schritten wurde er eingeholt und niedergeschlagen.
Sein Todesschrei warnte die Hausbewohner und bevor die Türken die Haustür erreichten, hatten sich die Leute in den gemauerten Flur zurückgezogen.
In fieberhafter Eile wurden Truhen, Tische und Sessel herbeigeschleppt und hinter der festen Tür, an der die Angreifer vergebens rüttelten, eine notdürftige Schutzwehr aufgebaut. Für den Augenblick wenigstens waren die Bewohner sicher. Das einzige kleine Fenster, das in den angrenzenden, gewölbten Raum ging, war fest vergittert, ebenso die kleinen Fenster der Wohnstube, sodass die Belagerten wohl hoffen durften.
Lautlos still war es in der Stube, niemand wagte zu reden. Krampfhaft hielten der Bauer und die zwei Knechte, die an der Tür standen, ihre Äxte, welche sie in der Eile aufgerafft hatten, um sie auf den ersten Türkenschädel, der sich zeigen würde, mit verderblicher Wucht niederzuschmettern. Frauen und Kinder hatten sich im Hergottswinkel versammelt. Dort harrten sie angstvoll der Dinge, die auf sie zukommen sollten.
Doch vorläufig rührte sich nichts. Die Belagerer scheinen verschwunden zu sein. Alles blieb still. Schon faßten die Eingeschlossenen neuen Mut. Da erklomm plötzlich ein fahler Lichtschein.
Ein leises Knistern und Prasseln war hörbar und immer heller und heller wurde es draußen. Flammen wuchsen empor mit gieriger Eile. Ein vie-stimmiger Entsetzenschrei durchbrach die Stille des Raumes. Die Türken hatten das Strohdach in Brand gesteckt. Nun gab es keine Hoffnung mehr auf Rettung – kein Entrinnen.....!
Weithin leuchtete die entfachte Feuersäule und der Widerschein des geröteten Himmels, wogend wie fließendes Blut, rief zur Rache, zur Vergeltung.....!
Von dem Burschen gewarnt und über die Anzahl der Feinde aufgeklärt, rotteten sich die erzürnten Bauern zusammen, um die Mordbrenner zu vernichten.
Früh am Morgen fanden sich die Türken von einer überlegenen Anzahl aufgebrachter Bauern umzingelt, die sie unter fortwährenden Angriffen zurückdrängten. Dichte Nebelschwaden verhüllten die Gegend, doch die Angreifer, wohlbekannt und vertraut mit ihren Bergen, zwangen die Feinde der steil abfallenden Felswand zu.
Ahnungslos rannten die Feinde in ihr Verderben. Nicht einer entkam. Sie stürzten alle die Felswand hinab in die Tiefe. So sühnte die räuberische Horde für viele Untaten. Lange vergessen sind die Namen der tapferen Bauern, die hier Gericht hielten an den eingedrungenen Feinden. Nur die Felswand steht noch, und der Name, den sie seit damals trägt, erinnert an die schreckliche Begebenheit.